von Tanja Kaiser
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02 Mai, 2019
Einmal im Monat treffen wir uns . Meist bei einer von uns zuhause, manchmal auch in einem Restaurant. Das machen wir seit fast zwei Jahren, mit wechselnder Belegung. Wir sind 8 Frauen im Alter von 34 bis 55 und haben nichts gemeinsam. Naja, doch. Da ist diese eine Sache. Wir alle wohnen auf der gleichen Insel. Eine kleine spanische Insel mitten im Atlantik. Wir sind Deutsche, wir sind alle ausgewandert. Das Leben hier vor Ort ist allerdings extrem unterschiedlich. Verheiratet oder Single, Mutter oder Stiefmutter, mit Hund, Katze oder Hühnern als Haustier. Drei von uns sind selbständig, drei sind angestellt, eine ist Hausfrau und eine ist reich. Wir wohnen weit verstreut und treffen uns alle zusammen einmal im Monat. In Deutschland kannten wir uns noch nicht. Wir hätten auch nie eine Freundschaft miteinander angefangen, bei Hunderten von Kilometern Distanz. Und ohne gemeinsame Interessen. Was soll ich, 55, selbständig, verheiratet, gewollt kinderlos, mit einer Frau anfangen, die erst 34 ist, Mutter von vier Kindern und aus Berufung Mutter? Ich sag es euch: andere Perspektiven kennen lernen! Und viel Spaß haben! Wir machen das, was viele Ausländer in der neuen Heimat tun: sich treffen und anfreunden, nicht auf Grund gemeinsamer Hobbys, sondern aufgrund der gemeinsamen Herkunft. Bloß geht’s bei uns nicht um Schützenfest, deutsche Bratwurst und Trachten. Sondern um Mode, Liebe, Hundeerziehung und Rezepte für all die neuen Obst- und Gemüsesorten, die wie von alleine sogar im ungeliebten Vorgarten wuchern. Kleiner Tipp: Chayote, auf Deutsch Stachelgurke, schmeckt wie Kohlrabi und wird auch so zubereitet. Leider nützt mir das nichts; ich mag keinen Kohlrabi. Das ist es, was wir einmal im Monat machen. Treffen, ratschen, essen, Spaß haben. Wir alle haben an diesem Abend frei. Die Handys werden ausgeschaltet. Kinder und Ehemänner werden versorgt oder sich selbst überlassen, je nach Fähigkeit. Dann gibt es nur noch uns. Wir reden. Über das, was in den letzten Wochen passiert ist, über unsere Beziehungen und über das Leben. Manchmal geht es um Philosophie und ein Göttinenbild statt eines patriarchalen Rauschbart-Gottes. Manche glauben an eine Göttin, nicht an einen Gott. Und da auch nicht an dieselbe, schätze ich. Manchmal geht´s auch um so interessante Dinge wie das Rezept von dem orangen Dip da vorne. Das Wichtigste an den Treffen: Nie ist etwas Besonderes. Weil jedes Treffen einmalig ist. Kannst du das verstehen? Wir gehen nicht gemeinsam auf eine Hochzeit, in eine Vernissage oder helfen beim Umzug. Klar, das kommt auch vor. Die Treffen sind aber einfach nur das, ein Treffen. Witzigerweise verbrauchen wir ca. 100 whatsapp-Nachrichten pro Monat: Es war so schön mit euch! Ja, fand ich auch. Wo treffen wir uns nächstes Mal? Ich hab frische Tomaten übrig – wer möchte welche? Frisst der Hund jetzt wieder? Guckt mal hier, mein neues Sonnenuntergangsfoto. Immer ist mindestens eine von uns online, um zu antworten. Die ganze Aufmerksamkeit wird auf viele Schultern verteilt. Nie ist eine von uns genervt, jede Nachricht wird als Bereicherung empfunden. Weil ja immer auch jemand anders antworten kann. Ich lasse meinen Alltag schon los, wenn ich mich ins Auto setze und losfahre. Das ist nämlich eins der wichtigsten Dinge, die ich in unserer Mädeslgruppe gelernt habe. Da wird vorher ein klein bisschen Energie investiert und die kommt dann hundertfach zurück! Wir wohnen im Umkreis von ca. 120 Kilometern. In Deutschland würden wir alle nicht drauf kommen, uns zu treffen und dafür so weit zu fahren. Auf einer Insel ist das irgendwie anders. Neulich hatten wir eine Motto-Party. Motto Nudeln. Die Gastgeberin hat einen ganz Berg Spaghetti gekocht und wir anderen haben das mitgebracht, was man noch dazu braucht. Salate und Baguette, verschiedene Nudel-Soßen, Parmesan, Wein und Saft. Mit €5 bist du dabei. So gehen unsere Abende. Jede hat nur ein bisschen Aufwand, keine muss alles machen, teuer wird es nie und der Spaß dabei ist unbezahlbar. Weil immer etwas daneben geht und wir dann witzigerweise mit wenig Wein und vielen Nudeln dasitzen. Zu denen uns die Soße fehlt. Die Soßentanten haben eine Autopanne und kommen erst, als alle anderen schon satt und angetüdelt sind. Wie haben wir es geschafft, so einen Freundinnen-Kreis aufzubauen? Wir haben keine Aufnahmekriterien. Die Neue braucht bloß nett zu sein, das reicht schon. Weil nämlich gerade die Vielfalt der Gruppe den besonderen Flair gibt. Es gibt natürlich viele Querverbindungen in der Gruppe – eine kann besser mit X als mit Y und so gibt es auch Freundinnen, die sich innerhalb des Monats mal privat treffen. Aber die Treffen bleiben etwas Besonderes. Wir alle gehen mit neuer Energie nach Hause, fühlen uns geliebt und genau so angenommen, wie wir sind. Weil in einer Gruppe alles passt. Das, denke ich, ist das größte Geheimnis. Wir sind eine Gruppe und jede ist willkommen. Das haben wir geschafft, weil nicht eine einzelne Frau die neue, beste Freundin sucht und ganz hohe Ansprüche hat, sondern unsere Gruppe sich aus lauter nicht zueinander passenden Individuen zusammen setzt. Auf einmal sind wir wie ein Puzzle – wir bilden ein perfektes Ganzes. Da ist die wilde Sturheit von Hilde die optimale Ergänzung zur Gleichmut von Renate, der immer so viel egal ist, dass ich mich manchmal frage „was hat die denn geraucht“? Sigrid passt wunderbar zu uns allen, weil sie noch ein kleines bisschen ängstlich ist und sich gerne anpasst. Mal sehen, was aus ihr wird, wenn wir ihr gemeinsam etwas Frauen-Mut eingetrichtert haben. Und Martina, unser Nesthäkchen, hat an Jahren die wenigste Lebenserfahrung. Sie verblüfft uns durch ihre Offenheit: „Ja wie, du weißt nicht, wie Selbstbefriedigung geht? Komm rüber hier, ich zeig dir meine besten Tricks!“ Dabei ging es bei der Diskussion eigentlich um Menstruationskrämpfe und die besten Tee-Sorten zum Entspannen. Ich wollte das schon immer. Mich faszinieren Bücher und Filme, wo Freundinnen ihr ganzes erwachsenes Leben miteinander teilen. Das hat bei mir nie funktioniert. Ich bin zu oft umgezogen. Trotzdem vermisste ich das, was ich gar nicht kannte. Erst mit 49 habe ich meine heutige beste Freundin kennengelernt und mit 53 diesen wunderbaren Frauenkreis auf der Insel gefunden. Lass dir nie einreden, dass das Leben ab 45 bergab geht. Das ist totaler Quatsch! Viele von uns sind in den Wechseljahren und erleben gerade unsere tollste Zeit; beim Sex, auf der Arbeit, in einer Familie, die wieder eine Paarbeziehung wird, nachdem die Kinder ausgezogen sind. Wir machen uns unser Leben so, wie wir es wollen. Das geht heutzutage viel leichter als zu Großmutters Zeit. Wenn mir mit 30 jemand erzählt hätte, was ich ab 50 alles erleben darf, hätte ich es gar nicht abwarten können, endlich älter zu werden! Das ist nun übrigens das Motto unserer Gruppe: So viel Gutes erleben und dabei Spaß haben, dass uns die jungen Frauen unter 30 beneiden um unsere Power und Freude am Leben! Nächste Woche verrate ich euch den besten Tipp, mit dem man garantiert neue Freunde findet.